This is the end…

This is the end…

11 Monate sind vorbei, und so bleiben nur noch 3 Wochen übrig von diesem einen ganzen Jahr hier in Komenda – diesem Fischerort an der Küste Ghanas’, den ich vor einem Jahr nur vom Namen her kannte, dessen Straßen mir fremd waren, dessen Sprache ich nicht zu sprechen wusste und dessen Gesichter ich mir nur erträumen konnte. Und nun fühle ich mich als – wenn auch nur winzig kleiner – Teil dieses Ortes, schlürfe Erdnusssauce mit frisch gefangenem Fisch und Fufu bei der dicken Onga-Köchin, kenne die kürzesten Wege zum Strand, blicke um mich herum in vertraute Augen und kaufe Bohnen und Bananen auf Fante ein (manchmal auch Brot, doch bei den Themen Bildung, Beziehungen und Baumkunde hört es mit meinem Fante auch schon auf ;)).

 

Die letzten Monate sind, wie das nun mal so ist, wie im Flug vergangen. Im letzten Term des Youth Magazine Workshops haben Melli und ich gemeinsam mit den SchülerInnen herausgefunden, warum das Verbrennen von Plastik schlecht für die Umwelt ist, wie der steigende Meeresspiegel die Küste Ghanas davon schwemmt (siehe z.B. SZ – Das Meer kommt) oder was man aus alten Kronkorken so alles basteln kann. Mit Keksen, Cola und der erarbeiteten Broschüre zum Thema „Environmental problems in Ghana“ verabschiedeten wir uns von unseren Students, mit denen wir nun ein Jahr lang diskutiert, gespielt, geschrieben, gelacht, gelangweilt, geschauspielert, gelesen und uns auch manchmal (vor allem am Anfang) missverstanden haben. Schweren Herzens blickten wir zum Abschied in einige enttäuschte und traurige Gesichter, nicht zuletzt weil wir die letzte Generation Freiwillige hier in Komenda sind und der Workshop nicht fortgeführt wird.

 

In der freien Zeit nach Ende des Workshops haben Maxim, Michi, Melli und ich uns auf den Weg gemacht, um noch ein wenig die (kulinarischen) Diversität Westafrikas zu erkunden und sind ins frankophone Nachbarland Togo gereist. Und tatsächlich, direkt hinter der Grenze mit Blick aufs Meer haben wir „une baguette, s’il vous plait“ bestellt und sofort vernascht. Kleine Kaffee- und Teewägelchen, senegalesisch zubereiteter Couscous, feine Croissants und Pain au chocolats, gemütliche Cafeterien und indische Supermärkte versüßten unseren Aufenthalt in der Hauptstadt Lomé. Voller Euphorie ging es bald weiter Richtung Norden, wo wir von Wasserfällen, schöner Landschaft und netten Menschen beeindruckt wurden. Von Baguette und Croissants jedoch leider keine Spur mehr und so stimmten wir uns mit knautschigem Weißbrot, Reis und Mais wieder auf Ghana ein. Dort zurück, im Osten des großen Volta-Sees wanderten wir die folgenden Tage durch dschungelartige, schwüle Wälder auf den höchsten Berg Ghanas (Afadjato, 885m), sprangen in das erfrischende Kühl eines beeindruckenden Wasserfalls und machten über die Berge nochmal einen kurzen Abstecher nach Togo.

Nach 10 Tagen reisen wurden wir daheim in Komenda mit vielen „Akwaabas“ („Willkommen“) und Umarmungen von der Nachbarschaft begrüßt. Und auch unsere Katze Kwame-Cat freute sich auf Streicheleinheiten – und wir auf unser eigenes Bett.

 

Ja, so fühlt sich ein zu Hause an hier im Zongo-Viertel, zwischen Palmen, hüpfenden Baby-Ziegen und einer gemeinschaftlichen Nachbarschaft. Nachbarn und Nachbarskinder, mit denen ich bei ausgelassenen Tanzabenden meine Hüfte zu wackeln lerne, das Unkraut jäte und Sand schaufle, die ghanaische Gerichte koche, über Seile und Steine hüpfe, mich beim Mensch-Ärgere-Dich-Nicht schlagen lasse, Wäsche wasche oder Erdnüsse aus der Schale pule.

 

Und so aufgehoben und willkommen ich mich hier fühle, so werde ich in diesem Land immer eine „Bruni“ („Weiße“) bleiben, mit der manche Menschen nur aus diesem Grund befreundet wollen, der überall von Kindern der sich wiederholende Satz „Bruni koko, how are you? I’m fine, thank you!“ hinterhergerufen wird oder die nach Geld gefragt wird. Und so bleibt das Thema „Weiß sein“ stets präsent und bietet in Reflektion mit den anderen Freiwilligen, auf den Seminaren und mit Sicherheit auch in Zukunft viel Stoff zum Nachdenken. Die Tatsache, dass ich allein auf Grund meiner Hautfarbe zahlreiche Privilegien genieße (siehe „critical whiteness“) und wie hier ohne weiteres ein Jahr leben darf, während einem guten, ghanaischen Freund für einen Freiwilligendienst in Deutschland das Visum verweigert wird ist eng verknüpft mit postkolonialen Machtstrukturen und Rassismus. Um dieses Thema nun zu vertiefen müsste ich an dieser Stelle jedoch zu weit ausholen, und außerdem stehe ich selbst erst am Anfang, jene komplexen Strukturen zu verstehen.

Diese Thematik war nur eine der vielen Dinge, die mich hier während dem Jahr beschäftigt haben und mich mit Sicherheit nachhaltig geprägt haben. Und nun blicke ich auf die Zeit hier mit großer Dankbarkeit zurück und bin erfüllt – von Kopf bis zum kleinen Zeh – mit den Erfahrungen, die ich hier machen durfte, Dinge die ich lernen und lehren konnte und Begegnungen, die mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben.

 

Ebenso füllt sich langsam auch mein Koffer mit bunten Kleidern, Tüchern und Mitbringsel – Zeit, nach Hause (also Deutschland – zu Hause) zu fliegen.